Ich bin jetzt schon einige Male in Oslo gewesen, der Hauptstadt von Norwegen. Derzeit befinde ich mich auch dort und werde wie immer sehr begeistert aus dieser Stadt zurückkehren.
Mittlerweile überlege ich sogar, ob ich mich nicht für immer hier niederlassen soll. Ich werde dir in diesem Beitrag mal einige Aspekte aufzeigen, die für und gegen diese Entscheidung sprechen.
Oslo: Großstadt aus dem Bilderbuch
Ich bin ein richtiger Fan von Großstädten. Ich liebe es in Straßen rumzulaufen, die links und rechts von riesigen Gebäuden umringt werden. Ich liebe es anonym durch ganze Menschenmassen zu spazieren und ich liebe es, wenn selbst um 23:00 Uhr noch so viele Menschen auf den Straßen sind. Selbst zu Schulzeiten bin ich oft in den Ruhrpott runtergefahren statt mich im kleinen Haltern am See rumzutreiben.
Oslo hat noch den großen Vorteil, dass es am Wasser liegt. Ich könnte Tag und Nacht an der Küstenseite verbringen und abends dann in einem Restaurant am Aker Brygge dinieren. Diese Gegend fasziniert mich immer und immer wieder.
Die einzige deutsche Großstadt, die an Oslo in dieser Hinsicht rankommt ist Hamburg, wer diese schöne Hansestadt kennt, kann sich dann auch denken wie schön Oslo ist.
Oslo und moderne Technologien in der Webentwicklung
Was ich an Oslo sehr zu schätzen gelernt habe, hat mit meiner Arbeit zu tun. Während ich in Deutschland noch Probleme damit habe, dass viele Digital Agenturen Konzepte wie Mobile First Design noch nicht begriffen haben und es sogar noch welche gibt, die Webseiten gestalten ohne überhaupt technische Kenntnisse zu haben, ist man hier in Oslo viel weiter.
Hier habe ich manchmal sogar das Gefühl, dass ich in einigen Bereichen der Frontend-Entwicklung zurückliege und noch einiges nachzuholen habe. Hier erwarten die meisten Agenturen mindestens grundlegende Kenntnisse im Umgang mit React oder Vue.js.
In Deutschland fragt man mich im Gegensatz dazu, ob ich nicht ganze Communities in WordPress aufsetzen könnte.
Vielleicht liegt das daran, dass ich mit dem Ruhrpott nicht die beste Lage für Webtechnologien habe. Oder wie man mir hier in Oslo sagte: "Hier in Oslo haben wir nicht viel interessante Industrie, daher legt man großen Wert auf Technologien". Ich liebe auf jeden Fall diese Einstellung.
Überall in Oslo: Tesla, Tesla, Tesla
Habe ich schon mal erwähnt, dass ich ein riesiger Tesla-Fan bin? Und das obwohl ich nie eines selbst testen konnte (falls mir das jemand möglich machen konnte wäre ich ihm sehr dankbar).
In Oslo findest du an jeder Straßenecke einen Tesla. Aber nicht nur Tesla, du findest hier Elektroautos sämtlicher Hersteller. Das liegt daran, dass die Stadt bzw. das Land Norwegen die Elektromobilität stark fördert. Nicht nur auf Papier und mit leeren Aussagen wie in Deutschland, sondern aktiv. Wenn du hier in Oslo einen Elektrowagen fährst, dann parkst du fast überall kostenlos. Du kommst in das Stadtgebiet rein ohne die typischen Mauten zu bezahlen und du bekommst beim Kauf ebenfalls ne Förderung.
Hast du in Deutschland irgendwo nen Parkplatz extra für Elektroautos gesehen? Zusätzlich zum Standardparkplatz? Ist hier in Oslo nicht unüblich.
Hier gibt es sogar an den abgelegenen Orten Zapfsäulen für Elektroautos, das ist der Wahnsinn. Daher sieht man hier auch so viele Teslas und ich kann mich daran nicht sattsehen.
Osloer Kommune fördert Gemeinschaft
So wie bei der Elektromobilität wird auch in den Erhalt der Gemeinschaft viel investiert. Hier findest du an jeder Ecke nen Sportplatz, ein kleines Outdoor-Gym oder einfach nur einen Treffplatz für Jugendliche mit Möglichkeiten zum Skaten oder Ähnliches.
Das Beste ist aber die hohe Zahl an offenen Wifi Hotspots. In Oslo kannst quasi durch die komplette Innenstadt laufen und hast fast laufend Internet. Ich bin derzeit hier ohne norwegische SIM Karte unterwegs und habe keine großen Probleme. Selbst in einem Rema 1000 gibt es Free-Wifi. Das ist ein Supermarkt im Ausmaße eines REWE. Im REWE Markt habe ich bisher noch keine kostenloses Internet bemerkt, du etwa?
Was mich ein wenig von Oslo als Wohnort abhält
Wahrscheinlich habe ich einfach nur mangelnde Erfahrung mit deutschen Großstädtn, da die Städte in denen ich gelebt habe — abgesehen von wenigen Monaten Köln — allesamt recht klein waren (Haltern, Ulm), aber die Situation in Oslo hat mich echt überzeugt. Ich überlege ernsthaft hierher zu ziehen.
Es gibt aber auch einige Punkte, die mich ein wenig abschrecken.
Autofahren
Ich liebe Autofahren und ich liebe es schnell zu fahren. Selbst mit meinem fast 30 Jahre alten Audi 100 heize ich wenn möglich mit 180 Sachen über die Autobahn (mehr kann der Wagen nicht).
Hier wäre ich im besten Fall in der Lage 130 km/h zu fahren. Wenn überhaupt. Die Strecke von Oslo zum Flughafen ist größtenteils sogar nur 100 oder 110. Und das auf der Autobahn.
Fußball in Oslo
Noch schlimmer als die Situation beim Autofahren ist die Situation beim Fußball. Wie heißt der aktuelle norwegische Meister? Keine Ahnung? Nenne mir einen norwegischen Club aus der ersten Liga. Rosenborg Trondheim fiel mir da ein.
In Oslo gibt es wohl auch zwei "größere" Vereine, aber halt aus norwegischer Sicht. Hier wird in den Sportnachrichten jeder Pups von Ödegaard groß gefeiert, da dieser zu den wenigen international bekannten Fußballer des Landes ist. Es gibt zwar viele Fußballplätze wo man privat trainieren könnte, aber große Spiele werde ich hier wohl eher nicht finden.
Der hier allseits beliebte Wintersport dagegen sagt mir überhaupt nicht zu.
Kompletter Neuanfang in Oslo
Etwas anderes, dass mich davon abhält jetzt direkt nach Oslo zu ziehen, ist die Karriere. Ich hab auch hier mittlerweile einen Grad an Bekanntheit. In zwei verschiedenen Agenturen bin ich vorstellig geworden und auch abseits der Digitalagenturen hatte ich Kontakt mit einigen interessanten Persönlichkeiten.
Wenn ich aber nach Oslo ziehen würde, müsste ich sehr wahrscheinlich meine Freelancer-Karriere bzw. meinen neuen Schritt mit meiner eigenen Digitalagentur Aheenam erst einmal auf Eis legen. Denn um als Selbstständiger hier in Oslo über die Runden zu kommen, dafür wäre mein Ertrag hier doch zu niedrig.
Und von dem Gehalt, dass ich als Entwickler via Remote aus Deutschland verdienen könnte, wäre definitiv zu wenig. Dafür geben die Kunden in Deutschland zu wenig aus für Webtechnologien, dass ich so viel verdienen könnte, um mit dem sehr hohen Preisniveau in Oslo klar zu kommen.
Hier würde ich also erstmal neu anfangen, wahrscheinlich als (im Vergleich zu Deutschland vielerorts) gut bezahlter Frontend-Entwickler oder als Usability-Engineer. Auch nicht schlecht, aber nicht mehr selbstständig, was mir eigentlich sehr wichtig ist.
Oslo ist nicht Ruhrpott
Der aller größte Knackpunkt, der für den Verbleib in Deutschland und gegen Oslo spricht, ist das Feeling.
Ohne Frage, die Osloer sind herzlich und sogar sehr offen (verglichen mit den schwedischen Nachbarn) und wenn ich die Wahl zwischen Ulm und Oslo hätte, würde ich sofort nach Norwegen ziehen. Aber ans Ruhrpott kommt die Stadt dann doch nicht dran.
Ich würde hier dieses Gefühl der rauen Freundlichkeit, diese Malocher-Mentalität vermissen. Bei einer Pommes rot-weiß mit wild fremden über Gott und die Welt lästern und das in einem Ton, dass Fremde denken wir würden uns streiten. Ich glaube das wird es in Oslo nicht geben. Hier scheint man eher ruhiger zu sein. Ist auch nicht so schlimm, aber auf Dauer würde ich wohl den Pott vermissen.
Oslo oder nicht — eine schwierige Wahl
Aktuell bin ich noch sehr unentschlossen, aber irgendwie sagt mir mein Gefühl, dass ich es hier mal für eine längere Zeit probieren sollte.
Ich habe vieles im Leben — fast alles eigentlich — nur durch den Sprung ins kalte Wasser gelernt, warum dann nicht auch hier. Ich werde mir mal meine Gedanken noch machen und euch bestimmt auf dem Laufenden halten, falls sich in der Sache was tun sollte.
Kennst du die schöne Hauptstadt von Norwegen oder hast sogar schon mal in Oslo gelebt? Hast du schon mal einen solchen Schritt gewagt und magst mir darüber berichten? Ich bin sehr gespannt.